Gewerbe

Geschichte der Landwirtschaft in Rembrücken

Die allerersten Anfänge Rembrückens liegen im Dunkeln; vermutlich war das Dorf eine Rodung in den dichten Auwäldern zwischen Spessart und Odenwald. Die ersten Erwähnungen von Rembrücken haben einen Bezug zur Landwirtschaft: 1268 verpflichtete sich Hartlibus Bunner aus seinem Hof in Rintbrucken jährlich  1/8 Maß Weizenmehl an das Kloster Patershausen zu stiften; 1325 gelobte eine Frau Beatrix Bunre (Bunner) jährlich 1 Malter Roggen aus Rembrücken dem Kloster Schmerlenbach zu schenken. Ein späterer Bericht über die landwirtschaftliche Tätigkeit in Rembrücken ist die Klage des Verwalters von Patershausen, dass Rembrücker Bauern ihre Schweine auf dem Gebiet des Klosters weiden lassen.

Ein Dokument aus dem Jahr 1551 gibt uns einen detaillierten Einblick in die Struktur des Bauerndorfes Rembrücken; es handelt sich um eine Steuerliste für die sogen. Türkensteuer, mit der der Kampf gegen die vordringenden Türken finanziert werden sollte. Die Steuer wurde auf Grundstücke, Gebäude und Bargeld erhoben. Für Rembrücken sind 12 Bauern aufgeführt, wobei bei zwei Steuerpflichtigen auch Wingerte (Weinberge) aufgeführt sind. Neben Ackerbau und Viehzucht wurde also auch Wein produziert. Interessant ist auch, dass alle in der Liste aufgeführten Namen als Folge des dreißigjährigen Kriegs verschwunden sind.
Durch die Folgen des 30-jährigen Kriegs war im Jahre 1631 die Bevölkerung auf 17 Einwohner gesunken. Erst 140 Jahre später konnten nach Zuzug neuer Bürger im Jahre 1771 22 Bürger, davon 19 Bauern mit 42 Zugtieren als fronpflichtig gezählt werden.
Aus dem 19. Jahrhundert liegen uns mehr Informationen über das Dorfleben vor; so finden sich im Gemeindearchiv eine Notiz, dass um 1839 mehrere Jahre lang ein Maulwurfsfänger bezahlt wurde, um die Schäden der Landwirte zu verringern. Eine andere Plage waren die Rabenkrähen, so dass im gesamten Gebiet des Kreises Offenbach an einem bestimmten Termin mit Strychnin vergiftete Fleischköder in eingezäunten Arealen ausgelegt wurden, um diese Vögel zu vergiften; tote Vögel und übrig gebliebene Köder mussten mit Petroleum übergossen und verbrannt werden. In dieser Zeit vergütete der Landrat für jede tote Krähe 20 Pfennige, Jungvögel und Eier wurden mit 10 Pfennigen honoriert. Auch für tote Sperlinge gab es 10 Pfennige bei Ablieferung beim Landrat. In eigenartigem Amtsdeutsch bestätigt („genehmigt“) der Landrat, dass in 1839 3 Sperlinge abgeliefert wurden; die Ausbeute war in diesem Jahr gering. Am 5.Mai 1903 erteilte das Großherzogliche Kreisamt dem Lehrer Deister die Erlaubnis, Sperlinge abzuschießen.

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An Großherzogl.Bürgermeisterei Rembrücken
Betreffend: Gesuch des Lehrers Deister zu Rembrücken um Erlaubnis zum Abschießen von Sperlingen.
Die anliegende Verfügung wollen Sie nach Kenntnisnahme dem Rubrikaten zustellen lassen.

Bei diesen für uns heute ungewöhnlichen Maßnahmen müssen wir bedenken, dass zu dieser Zeit, die Aussaat von Getreide per Hand vorgenommen wurde und nur flach mit der Egge eingearbeitet wurde; daher war Vogelfraß eine echte Bedrohung für die Ernte.
Die Bedeutung der Viehwirtschaft für Rembrücken geht aus der Tatsache hervor, dass im Jahre 1875 in der Hauptstraße das sogenannte „Hirtenhaus“ (heute Arztpraxis) erbaut wurde. Der Hirte war für Schweine und Gänse verantwortlich, aber auch als Nachtwächter musste er fungieren. Einen Zusatzverdienst konnte er sich verdienen, wenn er den Gemeindebullen bei dessen Pflichterfüllung ab- und wieder anbinden musste. Einzelheiten gehen aus dem Originalvertrag vom 9. Mai 1893 hervor.

Der Uebernehmer verpflichtet sich, den Dienst ordnungsmäßig und pünktlich zu versehen, wie es vom Vorgänger Martin Burkard von Weiskirchen geschah und zwar:

  • Jeden Tag die Schweine ½ Tag (3-4 Stunde) Sommer Vormittag von 7 ½ Uhr bis 11 Uhr und Winters Nachmittags von 12 bis 2 ½ Uhr zur Weide zu bringen; die Gänse aber von Morgens 7 bis Nachmittags 6 <Uhr zu hüten und zu bewachen; beim Hinaus und Zurück muß Signal gegeben werden.
  • Die Nachtwache muß pünktlich gehalten werden und zwar: Winterzeit/Martin bis Petritag von 9 Uhr Abends bis 2 Uhr……….die Stunden geblasen werden; auch kann dieses mit Rufen der Stunden geschehen.
  • Sämmmtliches Vieh welches zur Herde getrieben wird, ist Uebernehmer verpflichtet, ordnungsgemäßig und menschlich gleichmäßig zu behandeln, ohne Unterschied der Personen
  • Sollte etwas an dem Vieh vorkommen, durch die Schuld des Hirten, so hat derselbe den Schaden zu ersetzen, es mag sein an Schweinen oder Gänsen.

Als Lohn erhält Uebernehmer:

  1. Frei Wohnung nebst Garten. Eine Wiese und Acker vor Ort. An baar: Mk.200 schreibe: Zweihundert Mark sowie 20 Mk. Zusatz als Hirte.
  2. Als Nachtwächter erhält derselbe Mk.80 schreibe Achtzig Mark und 4 Rmtr Kief. Forstholz.
  3. Von Gewöhnferkel erhält der Hirte vom ……10 Pf.
  4. Vom Ab- und Anbinden des Faselochsen (Bulle) erhält der Hirte von jedem Besitzer von Kühen welche zum Ochsen zugelassen werden 10 Mk pro Sprung, welches der Hirte erheben muß.
  5. Sollte Uebernehmer aber seinen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten nicht nachkommen oder gar das Vieh mißhandeln oder den Leuten Grobheiten machen, so hat sich Uebernehmer gefallen zu lassen, daß er vom Dienst ab- und ausgewiesen wird und hat sofort das Haus zu räumen; die Kündigung geschieht ¼ Jahr vorher; auch kann dies von Uebernehmer ¼ Jahr vorher getan werden.
  6. Die Wohnung ist auch in gutem Zustand zu halten und geht Etwas durch Schuld des Übernehmers in Schaden, so hat er dieselbe auf seine Kosten herstellen zu lassen.

Vorgelesen, genehmigt und von beiden Theilen unterschrieben

Der Ortsvorstand

Michael Horch, Jakob Assion, Georg Josef Subtil,
Burkhard Löw, Christian Horch, Johann Graf (?),
Johann Joseph Sattler

Der Uebernehmer

Johann Griesfeller V

Aus den statistischen Daten geht hervor, dass die Landwirte in Rembrücken seit 1836 bis in die 1950er-Jahre immer rund 120 Rinder gehalten hatten; daher hatte die Gemeinde bis 1967 einen Bullen gehalten. Dieser als „Faselochse“ geführte Stammvater aller Kühe wurde jeweils für einige Jahre von einem Bauern gehalten. Voraussetzung war, dass ein abgeschlossener Hof vorhanden war. Alle zwei Jahre wurde der Bulle ausgetauscht, um Inzucht zu vermeiden Es war genau geregelt, was der Bulle zu fressen bekam; am Sprungtag bekam er zur Aufmunterung zusätzlich eine Extra-Portion Hafer. Aus dem Sprungbuch ist zu entnehmen, dass der Bulle, der abwechselnd Fritz, Hans oder Prinz hieß , bis zu 50 mal pro Jahr seinen Pflichten zur Viehzucht nachkommen musste. Der letzte Bulle wurde 1964 für 2400 DM angeschaffte; ab 1967 wurde die künstliche Besamung eingeführt.
Neben dem Bullen unterhielt die Gemeinde auch ein Faselschwein (Eber) und bis in die Mitte der 1950er-Jahre einen Ziegenbock, der allerdings lediglich 100 Tage im Jahr für Zuchtzwecke zur Verfügung stand.
Im Jahre 1911 wurde trotz Protest der Landwirte der Gänsehirte abgeschafft, da die Kosten von 100 Mk., der Gemeinde zu hoch waren, der Landrat verlangte aber, dass weiterhin ein Schweinehirt angestellt werden müsse.
Eine Viehzählung im Jahre 1971 ergab in Rembrücken den stattlichen Bestand von 127 Rindern, 127 Schweinen und 13 Pferden.

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Ausschnitt aus einer Flurkarte von 1927

Wie die obenstehende Flurkarte zeigt, war die landwirtschaftliche Fläche durch Realteilung in viele sehr schmale „Äckerchen“ bzw. Wiesen zerstückelt. Daher wurde bereits 1937 eine Feldbereinigung vorbereitet, die aber erst nach dem Krieg ab 1950 als Flurbereinigung durchgeführt wurde. Durch diese Aktion, die am 21.7.1960 formell beendet war, wurde auch neues Baugelände (Marienstraße und Obertshäuser Straße) ausgewiesen.

Ein weiteres Dokument, das uns einen Eindruck von dem durch Sparsamkeit geprägten Leben im 19. Jahrhundert liefert, ist das sogenannte Feldfrevelbuch, das von dem für die Region zuständigen Feldschützen geführt wurde. In diesem Buch finden wir folgende typische Einträge:

  • Franz Sattler, Sohn von Peter, hat am 14.September nachmittags 4 ½ Uhr mit einer Stange Birnen abgeschlagen (Art. 72).
  • Eduard Massing, Sohn von Valentin, 12 Jahre alt hat am 10,Sept. 1888 an einem fremden Baum Äpfel abgemacht (bei Tag).
  • Josef Clotz zu Rembrücken ist strafbar, weil sein Sohn Fritz, 6 Jahre alt, am 8. August diesen Jahres an einem fremden Baum, welcher die erste Frucht hatte, sämtliche 16 Stück Birnen abgemacht hat.
  • Adam Sattler, Sohn von Georg Sattler, 13 Jahre alt, hat am 19,9,1888 ein Rind auf fremden Wiesen weiden lassen (gegen Verbot).
  • Sebastian Lehrer sein Sohn Martin, 11 Jahre alt, hat den 27.10. auf Sonntag Gemüse geholt und ist auf dem Rückweg über mehrere bestellte Äcker gegangen (Art. 58).
  • Herbert Wilhelm hat am 23. August am Sonntagmorgen in den Grabgärten an seinem Eigentum Kummern (Gurken) geholt (gegen das Verbot).
  • Sattler Burkhard Ehefrau Dorothea ist am 15.9. mit einem mit Kürbissen beladenen Wagen mit 2 Ochsen bespannt über mehrere besämte Äcker durchgefahren.
  • Der Landwirt Burkhard Subtil ist am 22.2.vormittags dreimal mit seinem beladenen Pfuhlwagen ohne Erlaubnis an dem Adam Josef Rückert seinem Acker, welcher mit Korn bestellt ist, gefahren.
  • 8.8. Fünf Hühner von Josef Horch waren im Garten von Georg Sommer und haben Gemüs abgeweidet.

Wie hart auch noch im 20. Jahrhundert die Feldarbeit war, geht aus den folgenden Fotos hervor
Die folgenden Fotos belegen die harte Feldarbeit, wie sie noch bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts üblich war.

Rembrücker Geschichten - Landwirtschaft Bilder Ernte

Heuernte etwa 1936 (Auf dem Heurechen Sitzt Valentin Subtil)

Rembrücker Geschichten - Landwirtschaft Bilder Ernte

Getreideernte um 1930

Die Politik der national-sozialistischen Regierung des dritten Reiches wirkte sich auch in Rembrücken auf die Personalpolitik aus, wie das Schreiben des Reichsnährstandes (Der Reichsnährstand war im dritten Reich eine Standesorganisation der Agrarwirtschaft) vom 3. Ernting (Erntemonat = August) 1934 zeigt:

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Der damalige Ortsbauernführer Johann Josef Subtil musste aus politischen Gründen (Kauf von Futtermittel beim Juden Sichel in Offenbach) sein Amt aufgeben.

Aus unerfindlichen Gründen wurde das Getreide in schwere Doppelzentner-Säcke [100 kg] abgefüllt.

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1952 Dreschen auf dem Feld (Die Dreschnmaschine wurde über einen Keilriemen von einem Traktor angetrieben)

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Kartoffelernte 1960 (Im Hintergrund die Silhouette von Rembrücken)

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Wohlverdiente Vesperpause 1950

Interessant ist auch der Vergleich der beiden Karten von 1961 und 1981, die deutlich den Rückgang der Landwirtschaft in Rembrücken dokumentieren.

Rembrücker Geschichten - Landwirtschaft Flurkarten Vergleich

Karte Rembrücken 1961

Rembrücker Geschichten - Landwirtschaft Flurkarten Vergleich

Karte Rembrücken 1981

Derzeit gibt es in Rembrücken nur noch einen Vollerwerbslandwirt mit ca. 20 Rindern, sowie zwei Nebenerwerbslandwirte. Dank der modernen Maschinen wird heute trotzdem fast die gesamte verfügbare Fläche überwiegend von Rembrückern landwirtschaftlich genutzt. 

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