Geschichte Rembrückens

Geschichten aus der Nachkriegszeit - Ein Heimatvertriebener erzählt

Karl P. stammt aus Böhmen, wo seine Eltern einen großen Landwirtschaftsbetrieb von 27 ha besaßen. Nach Besetzung durch die russischen Truppen mussten die Eltern noch ein Jahr den Besitz betreuen, bis am 2. April 1946 der Ausreisebefehl für Karl, seine Eltern und seinen Bruder kam.

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Überweisung der Familie nach Sandbach (Odenwald)

Nach tagelanger Irrfahrt in einem mit Chlorkalk behandelten Viehwaggon kam die Familie mit anderen Heimatvertriebenen in Furth im Wald an. Noch heute schwärmt Karl von dem heißen Kakao und den Brötchen, mit denen die Familie begrüßt wurde. Im Durchgangslager wurde die übliche Entlausung durchgeführt und Karls Familie mit zwei anderen Familien in ein Lager in Sandbach (Odenwald) geschickt.

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Einweisung nach Rembrücken

Nach zwei Tagen erfolgte dann dort die Einweisung von drei Familien nach Rembrücken. Man fuhr mit der Bahn nach Weiskirchen, dort holte Georg Gündling, der am Dreieck eine Kohlehandlung betrieb, die Ankommenden mit seinem Holzvergaser ab. Auf der holprigen Landstraße ging es nach Rembrücken, wo die Familien zunächst im Saal des Gasthofs „Zur Rose“ untergebracht wurden.
Von einer Kommission der Verwaltung wurde Karls Familie zum Landwirt Peter Rückert eingewiesen, wo sie dann mit ihren 2 Söhnen ein Zimmer bewohnten.
Nach etwa einem Jahr entstand am 20. September 1947 bei Drescharbeiten ein verheerender Brand; offensichtlich hatte sich Spreu und Staub an dem zum Antrieb der Dreschmaschine verwendeten Bulldog entzündet. Der Brand zerstörte die Dreschmaschine, den Stall mit einigen Stück Vieh, aber auch das Haus. In letzter Minute gelang es der Familie von Karl, die wenigen Habseligkeiten auf die Straße zu retten.
Als Herr Johann Subtil die wieder heimatlos Gewordenen auf der Straße erblickte, machte er, obwohl er schon eine andere Familie aufgenommen hatte und selbst eine große Kinderschar besaß, in seinem Haus in der Friedhofstraße 3 sein letztes Zimmer frei und nahm die Obdachlosen auf. Nach einem Jahr zog Karls Familie zu Frau Müller in die Hauptstraße 42.
Als 1955 nach Abschluss der Bodenreform im heutigen Marienweg Baugrundstücke entstanden, konnten Karls Eltern über die Nassauische Heimstätte ein Haus erwerben, bei dessen Bau sehr viel Eigenleistung eingebracht wurde wie z.B. das Ausschachten der Baugrube.

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Die ersten Häuser am Marienweg (früher Marienstraße)

Aber zurück zum Beginn des Aufenthalts in Rembrücken: Karl ging zunächst wieder in die Schule; da in den letzten Jahren viel Unterricht ausgefallen war, ging Karl nach dem 8. Schuljahr noch ein weiteres Jahr zum Unterricht beim Lehrer Friedrich. Die Schule (heute die „Alte Schule“) hatte einen großen Raum, in dem alle Jahrgänge gleichzeitig unterrichtet wurden. Karl ist heute noch vom Geschick dieses Lehrers begeistert; er berichtet auch von drei Junglehrern, die im Rahmen ihrer Ausbildung dieses Modell der Einklassen-Dorfschule studieren durften.
An den schulfreien Nachmittagen half Karl bei Landwirten im Ort bei der Ernte und beim Sammeln von Streu im Wald. Meist hütete er die Kühe von Johanna Rücker („Jane“), die er in der Nähe der heutigen Kläranlage auf die Weide brachte Dadurch erhielt er immer wieder etwas Essbares; noch heute schwärmt er von den gut belegten Broten der Oma Rücker. Daneben trat Karl in die Feuerwehr und in die Fußballabteilung des Turnvereins ein. Gekickt wurde auf einer vorher notdürftig gerodeten Fläche im Bereich der heutigen Kläranlage; auswärtige Mannschaften bezeichneten den Platz als „ kaum bespielbaren Stoppelacker“.
Karl absolvierte eine Schreinerlehre in Jügesheim; dorthin ging er ein Jahr lang täglich zu Fuß, bis er sich dann mit seinem Bruder ein Fahrrad teilen konnte. Als Gesellenstück fertigte er ein Schränkchen an, das er zur Begutachtung per Fahrradanhänger in die Berufsschule in Bürgel (und wieder zurück) transportierte.
Karl berichtet auch von seiner Blinddarmentzündung; um den Weiskircher Arzt Dr. Gündling zu erreichen, musste man zu einem der drei Besitzer eines Telefons im Ort gehen. Der Arzt kam dann mit seinem alten VW-Käfer, immer eine brennende Zigarre im Mund.
Karl und seine Frau berichteten auch, dass es im Ort neben einem Metzger J. Subtil (Hauptstraße16), den Bäcker Ricker (Hauptstraße31) gab, der später auch Lebensmittel anbot. Andere Lebensmittelläden wurden von Frau Bruder (Am Dreieck) und von Frau Jäger (Friedhofstraße 1) betrieben. Nach dem Bau der Hubertussiedlung gab es für einige Jahre gegenüber der Schule den Laden Grundel, sowie einen Kiosk, der auch den Minigolfplatz betreute.
Interessant ist auch die Erzählung, dass Verstorbene zunächst zuhause aufgebahrt wurden. Am Tage der Beisetzung wurde der Sarg vor dem Haus oder auf dem Hof aufgebahrt; nach Segnung durch den Pfarrer wurde der Sarg auf einem Wagen, der in einem Anwesen gegenüber dem Friedhof untergebracht war, in einer Prozession zum Friedhof geleitet.

Heute bewohnt Karl mit seiner Frau, einer gebürtigen Weiskircherin, die er 1956 beim Kerbtanz kennengelernt hatte, das Haus seiner Eltern. Er hat seinen Beruf 48 Jahre lang ausgeübt und ist heute mit seinen drei Kindern fest in Rembrücken als Heimatort verwurzelt.

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